200 Jahre Kreisgeschichte in Lippstadt und Soest – Teil 1

Schloss als Kreishaus
Der erste Landrat des Kreises Lippstadt, Freiherr von Hörde, betrieb seine Dienstgeschäfte von seinem Schloss Schwarzenraben aus. Foto: Kreisarchiv Soest/ Walter Nies

„Auf alles, was vorgeht, Acht haben“
Serie „200 Jahre Kreisgeschichte in Lippstadt und Soest“ – Teil 1: Die Gründung der Kreise

Zum 200. Mal jährt sich Ostersamstag, 15. April 2017, der Tag, an dem die ersten Landräte der Altkreise Soest und Lippstadt, die bei der kommunalen Gebietsreform 1975 zum „neuen“ Kreis Soest zusammengelegt wurden, ihren Dienst antraten. Das Kreisarchiv Soest hat aus seinem umfangreichen Bestand Wissens- und Bemerkenswertes aus den zwei Jahrhunderten Kreisgeschichte zusammengestellt. Daraus ist eine sechsteilige Serie entstanden. Die erste Folge beleuchtet die Gründung der Kreise.
Keine Urkunde in schnörkeliger Schrift, kein Pergament, kein Siegel – nur eine kurze Ankündigung an die Bürger, dass die angeordneten Landräte mit dem 15. des kommenden Monats ihre Stellen antreten werden, abgedruckt im „Amts-Blatt der Königlichen Regierung zu Arnsberg“. So sah die Gründung der Kreise Soest und Lippstadt vor 200 Jahren aus.

Ohne Preußen auch keine Kreise: Nach der Niederlage Napoleons erhielt Preußen durch die Beschlüsse des Wiener Kongresses große Gebietszuwächse und gliederte sein erweitertes Staatsgebiet in Provinzen, Regierungsbezirke und Kreise. Bei der Einteilung wollte man Rücksicht auf alte Grenzen und Kulturräume nehmen. Und die neuen „Kreiseingesessenen“, heute eher als Einwohner bezeichnet, sollten es auch nicht allzu weit zum Landratsamt haben und ihre Dienstgeschäfte an einem Tag ohne Übernachtung erledigen können. 2 bis 3 Meilen (das sind 15 bis 20 Kilometer) waren auch für den Landrat in einem Tag per Pferd oder Kutsche zurückzulegen, wenn er als „König des Kreises“ das Kreisgebiet bereiste. Die Kreise sollten mindestens 20.000, aber höchstens 36.000 Einwohner haben. Das hätte dann fast dazu geführt, dass das zentral gelegene Erwitte der Sitz des Kreises Lippstadt geworden wäre. Lippstadt hingegen sollte eigentlich dem Regierungsbezirk Minden und nicht Arnsberg zugeordnet werden, wogegen sich die Stadtvertreter mit Entschiedenheit verwahrten, fühlten sie sich doch „durch Gleichheit des Charakters, durch Gesinnungen und Lebensweisen mit den biederen Märkern aufs innigste verbunden“.

Am 16. Januar 1817 war es dann endlich so weit, der König im fernen Berlin genehmigte die Einteilung der Kreise. Und so entstanden der Kreis Soest mit damals 107 Gemeinden und 29.168 Einwohnern und der Kreis Lippstadt mit 23.439 Einwohnern in 57 Gemeinden. Das Amt Werl hingegen gehörte vor 200 Jahren zum Kreis Arnsberg, Wickede zum Kreis Hamm, wohingegen Warstein damals zum Kreis Soest gehörte, aber schon zwei Jahre später dem Kreis Arnsberg zugeschlagen wurde. Nicht alle Zuordnungen waren von langer Dauer, könnte man auch mit anderen Fakten belegen.

Am 15. April 1817 traten dann die ernannten Landräte ihren Dienst an. Friedrich von Essellen betrieb seine Dienstgeschäfte in zwei Räumen in seiner Privatwohnung in der Thomästraße 1 in Soest, die Kosten für den beantragten dritten Raum wollte die Königliche Regierung in Arnsberg nicht übernehmen. Sein Lippstädter Kollege Engelbert von Hörde, Rittergutsbesitzer wie fast alle damaligen Landräte und der größte Grundbesitzer im Kreis Lippstadt, residierte von seinem Schloss Schwarzenraben aus, betrieb auf Weisung der Regierung aber zugleich auch ein Büro in der Kreisstadt, zwecks der gewünschten Bürgernähe.

Heute besteht die Kreisverwaltung Soest aus fast 1.200 Mitarbeitern. Und damals? Ein Kreissekretär, ein Kreisschreiber, der insbesondere eine „durch Ebenmaß und Beharrlichkeit sich empfehlende Handschreibe“ haben sollte und dann noch der Kreisbote, dies war das ganze Personal der Landratsämter. Dieser sparsamsten Personalausstattung stand eine Fülle von Aufgaben der neu gegründeten Behörde gegenüber. So sollte man Bauten und Wege beaufsichtigen, sich um Feuerschutz und Militärangelegenheiten kümmern, zugleich aber auch das Schulwesen fördern, sich um Gewerbe und Landwirtschaft, aber ebenso um die Armen sorgen und die Infrastruktur entwickeln. Kurzum, wie es in der „Dienstinstruktion“ von 1816 heißt: Die Landräte sollten „auf alles, was in ihrem Kreis vorgeht, Acht haben und sich von allem und jedem Notiz verschaffen“. Und das durfte dann auch fast nichts kosten. Hauptsächlich aber waren die Verfügungen der Königlichen Regierung bei den kreisangehörigen Städten und Gemeinden bekanntzumachen und durchzusetzen, und dies, indem sich die Landräte, so wollte es zumindest die Königliche Regierung, „vor unnützen Schreibereien hüten und den Geschäftsverkehr soviel als möglich mündlich betreiben“ sollten.

Und so geht es weiter – die Serie „200 Jahre Kreisgeschichte in Lippstadt und Soest“ im Überblick:

• Teil 1 (11. April 2017): „Auf alles, was vorgeht, Acht haben“ – Die Gründung der Kreise

• Teil 2 (25. April 2017): Der Fortschritt hält Einzug – die Kreise werden zu Selbstverwaltungskörperschaften

• Teil 3 (9. Mai 2017): Die Versorgung der Bevölkerung mit dem Allernotwendigsten – die Kreise im 1. und 2. Weltkrieg

• Teil 4 (23. Mai 2017): Es geht wieder aufwärts – die Geschichte der Altkreise vom Ende des 2. Weltkriegs bis zu ihrer Auflösung

• Teil 5 (6. Juni 2017): „Eine fast ideale Konzeption“ – die Gründung des neuen Kreises Soest

• Teil 6 (20. Juni 2017): Der Kreis Soest heute und ein Blick in die Zukunft

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