Es geht wieder aufwärts
Serie „200 Jahre Kreisgeschichte in Lippstadt und Soest“ – Teil 4: Die Geschichte der Altkreise vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zu ihrer Auflösung
1817 entstanden die Altkreise Soest und Lippstadt, die bei der kommunalen Gebietsreform 1975 zum „neuen“ Kreis Soest zusammengelegt wurden. Das Kreisarchiv Soest hat aus seinem umfangreichen Bestand Wissens- und Bemerkenswertes aus den mittlerweile zwei Jahrhunderten Kreisgeschichte zusammengestellt. Daraus ist eine sechsteilige Serie entstanden. Die vierte Folge beleuchtet die Geschichte der Altkreise vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zu ihrer Auflösung.
Im April 1945 marschierten die Amerikaner ein. Franz Hackethal, der unter den Nationalsozialisten als Bürgermeister von Ahlen abgesetzt worden war, war gerade bei der Gartenarbeit, als er kurzerhand zum Landrat des Kreises Soest ernannt wurde. Nur wenige Wochen später gehörte unser Kreisgebiet dann zur englischen Besatzungszone. Die Kommunalverwaltung war als einzige Verwaltungsebene noch halbwegs funktionsfähig. Daher kam ihr große Wichtigkeit bei, als die Besatzungsmächte den Deutschen die Verantwortung für den Wiederaufbau übertrugen. Die von den Alliierten ernannten Landräte waren für das Funktionieren der Verwaltung verantwortlich, wurden aber zugleich eng kontrolliert. Zur Jahreswende 1945/46 setzte die Militärregierung Kreistage ein, allerdings nur mit beratender Funktion, die Abgeordneten wurden auf Vorschlag des Landrats ernannt.
Ab August 1946 galt eine neue Kommunalverfassung auch für die Kreise. Nun entstand das Amt des Oberkreisdirektors. Mit Einrichtung dieser sogenannten „Doppelspitze“ mit ehrenamtlichem Landrat und hauptamtlich tätigem Oberkreisdirektor teilten die Briten die Verantwortlichkeiten in der Kommunalverwaltung auf. Sie wollten damit die Demokratisierung der Verwaltung erreichen. Zu ersten Oberkreisdirektoren wurden 1946 die vorigen Landräte August Günther in Soest und Franz Liese in Lippstadt gewählt. Mit den Kreistagswahlen am 13. Oktober 1946 ging die politische Verantwortung mehr und mehr von der Militärregierung auf die Kreistagsabgeordneten über.
Wichtigste Aufgabe in der Nachkriegszeit war die Versorgung der Bevölkerung mit dem Allernotwendigsten zum Überleben, seien es Lebensmittel, Kleidung oder Wohnung, Öfen und Brennmaterial. Improvisation, Einfallsreichtum und Organisationstalent waren nun in der Verwaltung gefordert, besonders im Kreisernährungsamt und im Kreiswirtschaftsamt. Die Versorgung und die Eingliederung der Vertriebenen und Evakuierten in das wirtschaftliche und soziale Leben der Kreise wurde zu einem der vordringlichsten Probleme. Die Bevölkerung des Kreises Soest wuchs von 81.687 Einwohnern im Jahre 1939 auf 110.113 im Jahre 1950, die des Kreises Lippstadt von 65.511 auf 90.227. Damit war eine Umschichtung verbunden, die in der bisherigen Kreisgeschichte keine Parallele hatte.
Trotz aller Bemühungen der Kreise um die Förderung des Wohnungsbaus war erst Ende der 1950er-Jahre wieder ausreichend Wohnraum für die Kreisbevölkerung vorhanden. Auch die ausländischen Streitkräfte stellten ihre Forderungen. Oft wurden für sie und ihre Angehörigen Wohnungen beschlagnahmt. Die nur eingeschränkt erlaubte Produktion von Gütern und die Beschlagnahme und Demontage von Wirtschaftsbetrieben behinderten den Wiederaufbau in erheblichem Maße. Neue und gewandelte Aufgaben bewirkten auch eine veränderte Verwaltungsstruktur. Eine erste umfangreiche Kommunalisierung von bisher staatlichen Aufgaben gliederte 1948 sechs Sonderbehörden in die Kreisverwaltungen ein, darunter die Gesundheitsämter, die Katasterämter und die Veterinärämter.
Nach der allmählichen Überwindung der Kriegsfolgen hatte weiterhin die Sozialhilfe die höchste Priorität. Auch in den Ausbau des Schul- und Bildungswesens wurde investiert. So übernahm der Kreis Lippstadt 1951 die Berufs- und Berufsfachschulen in seine Trägerschaft. In Lippstadt und Soest wurden neue Berufsschulen erbaut. 1965 richtete der Kreis Soest eine Kreisfahrbücherei ein, der Kreis Lippstadt gründete 1962 eine Kreisvolkshochschule. Neue Themen standen auf der Agenda, wie erste Überlegungen zur Wirtschaftsförderung und der Aufbau eines leistungsfähigen Rettungsdienstes. Auch der Straßenbau, eine seit Beginn der Kreise vorrangige Kreisaufgabe, nahm durch die wachsende Verkehrsentwicklung wieder breiten Raum ein, waren doch nun 1966 bereits fast 42.000 Kraftfahrzeuge in den Kreisen Soest und Lippstadt zugelassen, ein enormer Zuwachs zu den 41 Kraftfahrzeugen im Altkreis Soest 1906.
Alle erschienenen Folgen können unter www.kreis-soest.de nachgelesen werden.
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