Im Kreis Soest verdienen Frauen 18 Prozent weniger als Männer

Kellnerin im Café: In Branchen wie der Gastronomie arbeiten viele Frauen zu geringen Löhnen und häufig für wenige Wochenstunden. Die Gewerkschaft NGG fordert Unternehmen und Politik auf, mehr für die Gleichberechtigung am Arbeitsmarkt zu tun. Foto: NGG | Alireza Khalili

Frauentag am 8. März | NGG: „Corona Gefahr und Chance bei Gleichberechtigung“

Frauen beim Lohn weiterhin im Nachteil: Zum Internationalen Frauentag an diesem Dienstag
[f. d. Red.: 8. März] weist die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) auf große
Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern im Kreis Soest hin. Frauen, die eine
Vollzeitstelle haben, verdienen im Kreis aktuell 18 Prozent weniger als ihre männlichen
Kollegen. Während der mittlere Vollzeit-Verdienst von Männern bei 3.527 Euro pro Monat
liegt, kommen Frauen lediglich auf 2.883 Euro, so die NGG-Region Dortmund unter
Berufung auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. „Es kann nicht sein, dass Frauen in
puncto Bezahlung trotz gleicher Arbeitszeit systematisch den Kürzeren ziehen“, kritisiert
Gewerkschafter Torsten Gebehart.
Die Corona-Pandemie habe die Situation teils verschärft – und alte Rollenbilder verfestigt. „In
Zeiten von Lockdowns und Schulschließungen waren es in vielen Familien gerade die
Frauen, die beruflich zurückstecken und sich um Kinder und Haushalt kümmern mussten“,
sagt Gebehart. In Branchen wie dem Gastgewerbe habe die Krise Frauen zudem besonders
stark getroffen – etwa weil sie überdurchschnittlich oft in Minijobs arbeiteten. Diese Stellen
seien nach zwei Jahren Pandemie in großem Stil abgebaut worden. Die Betroffenen stünden
nach dem Job-Verlust ohne Arbeitslosenversicherung da und hätten auch keinen Anspruch
auf das Kurzarbeitergeld.
Neben prekären Arbeitsverhältnissen gebe es aber in vielen Betrieben nach wie vor einen
großen ,Gender Pay Gap‘, also eine erhebliche Lohnlücke zwischen den Geschlechtern.
„So verdienen Bäckereifachverkäuferinnen in Nordrhein-Westfalen bei Vollzeit rund
400 Euro weniger als Bäcker. Dabei haben beide eine dreijährige Ausbildung hinter sich
und es im Arbeitsalltag mit genauso hohen Anforderungen zu tun“, betont Gebehart. Der
NGG-Geschäftsführer ruft die Unternehmen in der Region dazu auf, die
Ungleichbehandlung zu beenden und „gleichen Lohn für gleiche Arbeit“ zu zahlen. Gerade
mit Blick auf den Fachkräftemangel im Lebensmittel- und Gastgewerbe sollten die Firmen
alles daransetzen, durch attraktive Arbeitsbedingungen Frauen zu gewinnen. „Hier
schlummert ein enormes Potential für den heimischen Arbeitsmarkt“, so Gebehart.
Allerdings stehe auch die Politik in der Pflicht, mehr für die Gleichberechtigung zu tun. Die
NGG kritisiert insbesondere das Ehegattensplitting. „Das Steuersystem bietet Frauen,
deren Partner ein gutes Einkommen haben, kaum Anreize, selbst beruflich durchzustarten.
Durch hohe Abzüge in der Steuerklasse V bleiben viele von ihnen doch zuhause oder
machen nur einen Minijob. Hier muss die Bundesregierung eine Reform anpacken“, fordert
Gebehart.

Die Gewerkschaft verweist zugleich auf Fortschritte. Nach einer Studie des Wirtschaftsund Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung haben Frauen
Männer bei den Bildungsabschlüssen in den letzten Jahren überholt. Hatten im Jahr 2005
bundesweit lediglich 26 Prozent aller Frauen die Hochschulreife, waren es im Jahr 2019
gut 40 Prozent (Männer: 29 bzw. 39 Prozent). Auch die Zahl der Haushalte, in denen
Frauen das Haupteinkommen beisteuerten, ist zuletzt deutlich – auf ein Achtel aller
Haushalte – gestiegen. Allerdings sind Führungspositionen nach Angaben des WSI
weiterhin überwiegend in männlicher Hand. Einer der Gründe: Frauen haben weitaus
häufiger eine Teilzeitstelle als Männer.
Nach Einschätzung der NGG könnte die Pandemie jedoch langfristig zu einem Umdenken
beitragen: „Corona kann auch eine Chance für mehr Gleichberechtigung sein. Viele
Männer haben in den letzten zwei Jahren erstmals richtig erfahren, welche Arbeit
Kinderbetreuung und Haushalt machen – aber auch, wie wichtig ihre Unterstützung
zuhause ist“, so Gebehart weiter.

Quelle: Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG)
Region Dortmund

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