200 Jahre Kreisgeschichte in Lippstadt und Soest – Teil 3

Jugendhilfe tut Not
Als eine Folge schlechter Zeiten gibt es seit 1924 auch Jugendämter. Das Bild zeigt den Speiseraum der Kinderheilanstalt Bad Sassendorf im Jahr 1920. Foto: Kreisarchiv Soest/ Foto Dülberg

Die Versorgung der Bevölkerung mit dem Allernotwendigsten
Serie „200 Jahre Kreisgeschichte in Lippstadt und Soest“ – Teil 3: Die Kreise im Ersten und Zweiten Weltkrieg

1817 entstanden die Altkreise Soest und Lippstadt, die bei der kommunalen Gebietsreform 1975 zum „neuen“ Kreis Soest zusammengelegt wurden. Das Kreisarchiv Soest hat aus seinem umfangreichen Bestand Wissens- und Bemerkenswertes aus den mittlerweile zwei Jahrhunderten Kreisgeschichte zusammengestellt. Daraus ist eine sechsteilige Serie entstanden. Die dritte Folge stellt die Auswirkungen der Weltkriege auf die Kreisaufgaben dar.
Die Kreise bestanden schon seit fast 100 Jahren, als der Erste Weltkrieg vieles änderte. Die Lage der Bevölkerung war dramatisch, es fehlte an Nahrung und Wohnung. Die Kreisverwaltungen mussten nun Lebensmittel herbeischaffen, bewirtschaften und verteilen, eine gewaltige Anstrengung. Dazu kamen die sozialen Aufgaben. Fürsorge, Wohlfahrtspflege, Rentnerhilfe, so hießen die Schlagworte. Die Versorgung der Bevölkerung mit dem Allernotwendigsten stand also auf der Tagesordnung.

Anfang der 1920er Jahre gründete man Kreiswohlfahrtsämter in Soest und Lippstadt. Auch Jugendämter entstanden 1924 in beiden Kreisen. Zudem kümmerten sich die Kreise um die Wohnungsbauförderung. Auch die Gesundheitsfürsorge kam als neue Aufgabe hinzu. Und kurzzeitig waren die Kreise in der Wirtschaftskrise sogar für die Vermittlung von Arbeitsplätzen zuständig, und zwar bevor 1927 eigene Arbeitsämter gegründet wurden. Diese neuen Aufgaben im Sozial- und Jugendwesen rückten also zunehmend ins Zentrum des Tätigkeitsspektrums, und das sollte sich auch in den nächsten einhundert Jahren bis heute nicht mehr ändern: Bereits 1931 gab der Kreis Lippstadt die Hälfte seines Etats (1,6 Mio. Reichsmark) für sein Wohlfahrtsamt aus.

Doch ganz vernachlässigen konnte und wollte man die Infrastruktur nicht, zumal der Truppenrückzug nach dem Ersten Weltkrieg große Schäden an den Kreisstraßen verursacht hatte. Allein der Kreis Lippstadt schätzte die Reparaturkosten 1922 auf 2,2 Mio. Reichsmark. Im Gegenteil, man wollte den Anschluss an die moderne Zeit nicht verlieren. So gründete der Kreis Soest 1920 ein eigenes Elektrizitätswerk. Es wurde aber nach einigen Jahren erfolgreicher Arbeit verkauft, da die Unterhaltung eines solchen Betriebes den Kreis auf Dauer doch überfordert hätte. Der Verbesserung der Infrastruktur diente auch die 1933 erfolgte Gründung des „Wasserwerk-Zweckverbandes für die Kreise Lippstadt, Soest und Arnsberg“, der heutigen Lörmecke-Wasserwerk GmbH. Für all diese Aufgaben brauchte man gut ausgebildetes Verwaltungspersonal. So wurde 1922 wurde die Verwaltungs- und Sparkassenschule Hellweg-Sauerland gegründet.

In diesen Zeiten besann man sich auf den Wert der Heimat. Die Kreisverwaltung Soest gab 1922 erstmals den bis heute erscheinenden „Heimatkalender für den Kreis Soest“ heraus. Bereits 1921 erschien der „Kalender für den Kreis Lippstadt“ als erster Kreisheimatkalender in Westfalen, der aber nach zwei Ausgaben sein Erscheinen einstellte. 1927 richtete der Kreis Lippstadt das Kreisheimatmuseum in Lippstadt ein, das heutige Stadtmuseum. Den gesteigerten Aufgaben der Kreise stand aber eine unzureichende Finanzausstattung gegenüber, die Schuldenlast der Kreise wuchs.

Nach Einführung des allgemeinen Wahlrechts im Jahr 1920 wurden die Kreistagswahlen im Februar 1921 erstmals nach dem neuen Wahlrecht durchgeführt. Der Kreistag war nun ein demokratisch gewähltes Gremium. Doch das NS-Regime beseitigte die kommunale Selbstverwaltung und die damit verbundene parlamentarische Struktur der Kreisebene faktisch schon bald wieder. Am 12. März 1933 fanden die letzten freien Kreistagswahlen statt. Im Kreis Soest erhielt die NSDAP knapp vor dem Zentrum die meisten Stimmen, aber keine Mehrheit bei der Sitzverteilung im Kreistag. Im Kreis Lippstadt lag das Zentrum deutlich vor der NSDAP. Kurze Zeit später wurden die Kreistage formell entmachtet. Ab 1939 traf der Landrat die Entscheidungen ohne politische Beteiligung ganz alleine. Zudem regierte die NSDAP mit ihrem Kreisleiter immer mehr in die Kreisverwaltungen hinein. Das Personal war ausgedünnt, viele Kräfte dienten an der Front, so dass nur die notwendigsten Aufgaben zur Versorgung der Bevölkerung und zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit und Ordnung erledigt werden konnten.

Und so geht es weiter – die Serie „200 Jahre Kreisgeschichte in Lippstadt und Soest“ im Überblick:

• Teil 1 (11. April 2017): „Auf alles, was vorgeht, Acht haben“ – die Gründung der Kreise

• Teil 2 (25. April 2017): Der Fortschritt hält Einzug – die Kreise werden zu Selbstverwaltungskörperschaften

• Teil 3 (9. Mai 2017): Die Versorgung der Bevölkerung mit dem Allernotwendigsten – die Kreise im 1. und 2. Weltkrieg

• Teil 4 (23. Mai 2017): Es geht wieder aufwärts – die Geschichte der Altkreise vom Ende des 2. Weltkriegs bis zu ihrer Auflösung

• Teil 5 (6. Juni 2017): „Eine fast ideale Konzeption“ – die Gründung des neuen Kreises Soest

• Teil 6 (20. Juni 2017): Der Kreis Soest heute und ein Blick in die Zukunft

Alle erschienenen Folgen können unter www.kreis-soest.de nachgelesen werden.

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